Ein Problem namens Laschet

Seit der Flutkatastrophe irrlichtert Armin Laschet durch die mediale Öffentlichkeit. Mal reagiert er dünnhäutig und fahrig auf Fragen von Journalist*innen, wie z.B. in der Aktuellen Stunde am 15.07.21.
Mal feixt und lacht er auf offener Bühne, während die Opfer der Flutkatastrophe Frank Walter Steinmeier zuhören.  In seiner Fernsehansprache im WDR Fernsehen kurz vor der Tagesschau (18.07.21) , redet er hauptsächlich von sich bzw. von dem, was ihm andere erzählt haben und wie betroffen ihn das mache, fast so, als müsse man mit ihm Mitleid haben.  Kein Bedauern über Versäumnisse beim Umwelt- oder Katastrophenschutz, keine konkreten Vorschläge, was als nächstes passieren soll. 


Taugt jemand, der schon bei einer Lage im Inland nicht angemessen reagiert zum Kanzler? Wie will dieser Mann mit Putin, Orban oder Erdogan verhandeln, wenn es um Krieg und Frieden ganzer Nationen oder das Schicksal von Flüchtlingen geht?  Wie will er mit den Chinesen kluge Handelsverträge abschließen?
Doch nicht nur sein Verhalten irritiert.  Es sind auch Sätze wie :  „Wir müssen Tempo machen beim Umweltschutz“.  Da fragt man sich zwangsläufig, was hat Laschet denn seit seinem Amtsantritt 2017 gemacht?  Bei Anne Will stellte er 2019 aus Anlass des Hitzesommers noch keck fest: „Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich ein weltweites Thema geworden…. der heiße Sommer ist ne Wetterfrage, ist nicht immer eine Klimafrage“  (26.05.19).  Ziemlich viel Ignoranz, die er sich da gegenüber den jahrelangen Warnungen aus der Wissenschaft leistet.  Aber so richtig hat der die Problematik offensichtlich auch heute, angesichts der Hochwasserkatastrophe, nicht begriffen. In einem Interview in der Aktuellen Stunde sagte er auf die Frage der Moderatorin, was er jetzt politisch machen wolle: „(...), weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik. Das Ziel CO₂ zu reduzieren, muss ein Langfristiges sein“ (15.07.21) Das klingt, als hätten wir noch jede Menge Zeit und wirkt ignorant gegenüber den Fakten. Das Extremwettersituationen durch den Klimawandel stark zunehmen, sollte auch Armin Laschet wissen. Sind ihm die Opfer der Hochwasserkatastrophe etwa gleichgültig. Sie können beim nächsten Starkregen wieder getroffen werden und die Frage ist, halten die Talsperren beim nächsten Mal stand?

Diese Fragen beschäftigen ihn offenbar weniger, als die Werbung für seine Klimapolitik.  In Hagen gibt er sich bei einer Presskonferenz überzeugt, dass er den Klimawandel effektiv bekämpft: „Deshalb ist Nordrhein-Westfalen ja eines der Länder, das am meisten tut, gegen den Klimawandel zu kämpfen, CO2-Werte zu senken.“ (16.07.21)
Ist Laschet etwa ein Umweltaktivist? Wohl eher nicht, wenn man auf seine Amtszeit schaut:

- Das „Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz“ heißt unter der Laschet-Regierung nur noch „Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz“.  Ausgerechnet den Klimaschutz fehlt, für den Laschet doch angeblich so eintritt.

- Im „Bundesländerranking zur erfolgreichen Nutzung erneuerbarer Energien“ liegt NRW auf Platz 13, nur Sachsen, Berlin und das Saarland sind noch schlechter.  (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin
Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) Agentur für Erneuerbare Energien e.V., 2019)
Im Gegenteil, NRW ist das Bundesland, das mit den meisten Strom aus Kohle erzeugt.

- 2018 schafft die Laschet Regierung die „Stabsstelle für Umweltkriminalität“ ab. Das ist keine Kleinigkeit, denn laut Interpol rangiert die Umweltkriminalität auf Rang vier aller Verbrechensarten gemessen am entstandenen wirtschaftlichen Schaden. In NRW gelangten seit der Schaffung der Stabsstelle 2004 zahlreiche „Straftaten gegen die Umwelt“ zur Anzeige. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die illegalen Gülleimporte aus den Niederlanden oder die „Entsorgung" von PCB-haltigen Transformatoren beim Dortmunder ENVIO Konzern, es war der größte PCB Skandal Deutschlands, Menschen wurden geschädigt, das Wasser wurde verseucht und Kleingärtner*innen mussten ihre Ernten vernichten. Die Laschet Regierung löste die Stabsstelle trotzdem auf, offenbar störte sie bei seiner verkündeten industriefreundlichen „Entfesselungspolitik“.

- 2019 schafft die Laschet Regierung die Obergrenze für Flächenverbrauch von 5 ha /Tag ab. Ein Grund für Überschwemmungen und Hitzestau ist die Flächenversiegelung. Auf versiegelter Fläche kann kein Regenwasser versickern, bei Hitze strahlt die Versiegelung massiv ab

- Mit der „Leitentscheidung“ für das Braunkohlerevier im März diesen Jahres bekräftigt die NRW Landesregierung die Absicht, bis 2038 noch 900 Millionen Tonnen Braunkohle zu fördern. Immerath und Lützerath sollen endgültig für den Tagebau Garzweiler zerstört werden. Der Erhalt des Hambacher Waldes ist nach wie vor nicht gesichert

- In NRW wurden im vergangenen Jahr 93 Windräder in Betrieb genommen. Zur Erreichung der selbst gesteckten Ausbauziele wäre die dreifache Menge nötig, sagt der LV Erneuerbare Energien. Dieses Ziel dürfte allerdings nicht so schnell erreicht werden, denn der Landtag hat mit Regierungsmehrheit einen grundsätzlichen 1000-Meter-Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohnbebauungen beschlossen. Das ist ein großes Hemmnis für den Ausbau, auch mit kleineren Windkrafträdern.

- Die CO2 Steuer, die bewirken soll, dass mehr Häuser wärmegedämmt werden, sollen die Verbraucher*innen alleine zahlen. Eine Aufteilung der Steuer zwischen Mieter*in und Vermieter*in hat die CDU im Bundestag verhindert. Dabei können nur Vermieter*innen Heizungsanlagen erneuern oder Wärmepumpen einbauen. Wenn sie nicht an der CO2 Steuer beteiligt werden, fehlt ihnen der Anreiz, klimafreundlich umzusteuern, die Zeche zahlen die Mieter*innen

-  Tempo 130 auf den Autobahnen lehnte Laschet noch im Juli ab, bei der Co2 Steuer, also beim Tanken, setzt er auf das Verursacher*innen Prinzip. Wenn es um die Reduzierung von Billig(st)flügen oder höhere Abgaben für den Luftverkehr geht, mauert er mit dem fadenscheinigen Argument, jeder müsse sich Flüge nach Mallorca leisten können.

Diese Sammlung ließe sich weiter fortsetzen. Aber die Beispiele reichen, um Laschets Behauptung, NRW sei das Land, das am meisten für den Klimaschutz tue, zu widerlegen.
Klima- und Umweltschutz sind immer auch Menschen- und Gesundheitsschutz – sauberes Wasser, saubere Luft, saubere Böden und stabile Lebensverhältnisse ohne lebensfeindliche Hitzewellen, tödliche und existenzvernichtende Fluten – das sollte selbstverständlich sein in Deutschland.  Lange Jahre war es das in vielen Bereichen auch. Den Smog der 1960er Jahre, das Waldsterben der 1980er Jahre haben wir in den Griff bekommen.
Die Klimakrise ist eine ungleich höhere Herausforderung und sie ist viel bedrohlicher. Wäre ein Kanzler Armin Laschet der richtige Mann, um gesunde und stabile Lebensbedingungen für alle Menschen in Deutschland zu schaffen? Ein Blick auf seine Umweltpolitik und sein aktuelles Krisenmanagement lassen da sehr große Zweifel aufkommen.

Martina Welchering, Mitglied des Vorstands